Wenn du dich selbst fragst: «Wie geht es mir?», dann bist du wahrscheinlich in der Lage, in deinen Körper hineinzuhorchen und zu -fühlen, um den aktuellen Zustand deines Befindens zu erforschen. Doch obwohl diese Informationen ständig abrufbar wären, schieben wir sie meistens in den Hintergrund oder verdrängen sie sogar.
«Körpergefühle treten in alltäglichen Situationen nur dann in den Vordergrund, wenn sie eine hinreichende Intensität haben.»[1] Wenn wir Schmerz empfinden, Hunger oder Durst haben, dann beachten wir die Empfindungen unseres Körpers. Wenn wir Angst haben, wütend sind oder uns sehr freuen, dann beachten wir auch komplexere Gefühle. Doch in der normalen Geschäftigkeit des Alltags, kommt uns der Zugang zu unserer vielfältigen Gefühlswelt meistens abhanden.
In der Meditation können wir lernen, ganz bewusst auf unsere Gefühle zu achten und unsere Emotionen (die unmittelbaren Verbindungen von Gefühlen und Gedanken) zu erforschen, so dass uns die komplexen Verbindungen zwischen Gefühlen, Gedanken und unserem Verhalten ins Auge fallen und spürbar werden.
Gefühle haben immer eine Botschaft. Eine verbesserte innere Wahrnehmung bewirkt, dass wir diese Botschaften wahrnehmen können und damit auch unsere Denk- und Entscheidungsprozesse beeinflussen. «Ein verstärktes «Selbstvertrauen» ist eine typische Auswirkung tiefer Meditation. Praktizierende berichten, dass sie bei tiefen Meditationserfahrungen zu sich kommen und ihre innere Mitte (wieder) finden.»[2]
Auch Emotionsregulation ist ein zentraler Aspekt des Meditationstrainings. Emotionen, die aus Angst, Trauer oder Wut erwachsen, können sich zu Gedankenschleifen weiterentwickeln, die ein Eigenleben führen und sich durch Grübeln, Selbstvorwürfe oder Traurigkeit immer weiter steigern, so dass sie unsere Lebensqualität massiv negativ beeinflussen können.
Durch die Achtsamkeitsmeditation werden solche Gedankenschleifen durchbrochen, indem wir uns immer wieder daran erinnern, ganz bei dem Gefühl zu bleiben und uns nicht in Bewertungen zu verlieren. Gefühle werden so wahrgenommen und akzeptiert, wie sie sind, mit Gleichmut und Gelassenheit.
Das ist nicht einfach, aber nur wenn wir uns immer wieder darin üben, Gefühle in all ihrer Intensität und oft auch in ihrer Schmerzhaftigkeit wahrzunehmen, merken wir, dass sie nicht immer gleich bleiben. Gefühle kommen, gehen und verändern sich. Wir dürfen sie ziehenlassen und müssen sie nicht krampfhaft festhalten.
Dadurch, dass du deine Gefühle bewusst wahrnimmst, werden sie weder unterdrückt noch verstärkt. Sie werden einfach wahrgenommen und der Körper erhält die Chance wieder in ein eigenes Gleichgewicht zurückzufinden. Dieser veränderte Umgang mit Gefühlen und Emotionen scheint positive Auswirkungen auf Körper und Gehirn zu haben, denn durch Studien konnte belegt werden, dass Meditierende mehr graue Substanz im Hippocampus (der Hirnregion für die Verarbeitung von Erfahrungen) aufweisen als Menschen, die nicht meditieren.
Das bedeutet, dass Meditierende ihre inneren und äusseren Erfahrungen besser verarbeiten können. Aus dem gleichen Grund befinden sich im Körper von regelmässig Meditierenden ebenfalls weniger Stresshormone.[3 Mit dem zu sein, was du jetzt gerade fühlst und denkst, gibt dem Körper die Chance, Stress zu verarbeiten.
[1] Ulrich Ott – Meditation für Skeptiker. Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst, Knaur Verlag, 2019
[2] Ulrich Ott – Meditation für Skeptiker. Ein Neurowissenschaftler erklärt den Weg zum Selbst, Knaur Verlag, 2019
[3] Britta Hölzel, et al. - How Does Mindfulness Meditation Work? Proposing Mechanisms of Action from a Conceptual and Neural Perspective; 2011; Perspectives on Psychological Science, 6:537-559;