Osteopathie und Yoga - das passt!

Diaphragmen und die Zirkulation

Osteopathie und Yoga sind zwei Ansätze, die sich in der Praxis wunderbar ergänzen. Auf der einen Seite werden Dysbalancen im Körper durch manuelle Therapie gelöst. Auf der anderen Seite verbessern Yoga-Asanas und bewusste Atmung die innere und äussere Flexibilität und beugen erneuten Störungen vor. Passive Behandlung und aktive Mitarbeit des Klienten vervollständigen sich optimal.

Diaphragmen und die Zirkulation

In ihrem Buch „Diaphragmen und die Zirkulation“ bauen die Osteopathin Simone Huss und die Yogalehrerin Bettina Wentzel auf der effektiven therapeutischen Kombination von Osteopathie und Yoga auf und führen ihr Wissen zu einem integrativen Konzept zusammen. Für gelernte Osteopathen - so habe ich mir sagen lassen, da ich selber keine Expertin bin - ist der erste Teil des Buches eine wertvolle Resource für die Behandlungstechniken der Diaphragmen nach Sutherland. Sie werden sorgfältig erklärt und anschaulich illustriert.

Der Mensch als untrennbare Einheit

Die Grundgedanken des Buches sind die Vorstellung des Menschen als ganze, untrennbare Einheit, die ständige Bewegung und Kommunikation innerhalb des gesamten Organismus und die ureigenen Regulationsmechanismen des Körpers. Es ist also nicht das Ziel des osteopathisch arbeitenden Therapeuten Krankheit zu beseitigen, sondern die Gesundheit im Körper zu finden und die ursprüngliche Balance wiederherzustellen.

„Offensichtlich verfügt jedes Gewebe des Körpers über eine eigene Intelligenz und weiss, was es tut.“

Beginnend mit den Befundungskonzepten stellt die Autorin in fünf weiteren Kapiteln die Anatomie und vor allem die funktionellen Zusammenhänge und die Behandlungspraxis der Diaphragmen umfassend dar. Eigenübungen ergänzen die manuellen Behandlungsformen. Das Hauptaugenmerk der Behandlungen liegt auf der Unterstützung von Organfunktionen und Zirkulation durch ein Reaktivieren der Elastizität und Ausgleichsfähigkeit der Diaphragmen. Die Übungen unterstützen diesen Prozess und fördern gleichzeitig Eigenwahrnehmung und Selbstverantwortung.

Die Integration von Wahrnehmung, Gefühl und Bewusstsein

Für Yogalehrer ist vor allem das letzte Kapitel interessant. Hier wird ein Konzept vorgestellt, das westliche und östliche Ansätze der Körperarbeit integriert; ausgehend von den Grundgedanken, dass die bewusste Verbindung von Atem und Bewegung im Mittelpunkt der Praxis stehen und dass Körper und Geist ein gemeinschaftliches System bilden.

Die Idee des Body-Mind-Centering nach Bainbridge Cohen dient als Grundlage für dieses Konzept, das alle westlich definierten Körpersysteme - von der Zellebene bis zum Skelett und Muskelsystem - in die Yoga-Praxis einbezieht und gleichzeitig darüber hinausgeht.

Die Vorstellung einer kreisförmigen Symmetrie, in der die Bewegungen des Körpers vom Zentrum nach aussen fliesst und von aussen wieder nach innen, soll dem Übenden die Verbindung zwischen westlich geprägten medizinisch-anatomischen Grundlagen, der eigenen bewussten Wahrnehmung und kulturell geprägten Begriffen wie Kosha (Hülle), Chakra (Rad, Energiewirbel), oder Nadi (Energiekanal) erleichtern.

Mit dem Bewusstsein einer ruhigen Bewegung, die sich vom Zentrum her, aus den Organen, nach aussen fortsetzt, lässt sich die Verbundenheit des Ganzen und das pulsierende Fliessen innerhalb des Körpers nicht nur theoretisch erkennen, sondern unmittelbar wahrnehmend erfahren. Die Bewegungen werden langsamer, ruhiger und gleichzeitig kraftvoller.

„Mit diesem Bewusstsein atmet der ganze Körper in jeder Bewegung, Atem für Atem, Welle für Welle.“

Die Praxisteile des Yoga-Programms widmen sich unterschiedlichen Themen, die das gesamte Körper-Geist-System ansprechen.

In einer Aufwärmsequenz kann sich der Übende langsam an die Verbindung von Atem und Bewegung herantasten. Die Bewegungssequenz für Struktur, Stabilität und Kraft widmet sich mit einem bewusst und kraftvoll ausgeführten Sonnengruss dem Knochen- und Muskelsystem.

In der Bewegungssequenz für Achtsamkeit, Fluss und Kreativität werden Organ- und Flüssigkeitssystem mit pulsierenden und fliessenden Bewegungen angesprochen.

Die folgende Sequenz für Entspannung, Tiefe und Feinfühligkeit widmet sich dem Fasziensystem als Kommunikations- und Speichermedium, sowie dem Nervensystem, mit einer Schüttelmeditation und länger gehaltenen, dehnenden Asanas.

In der abschliessenden Zellmeditation werden alle Systeme miteinander verbunden.

„Wenn wir ein Bewusstsein für unser Zellsystem entwickeln, betreten wir den Bereich von reinem Potenzial. Von der zellulären Ebene geht alles andere Leben aus. Zellen repräsentieren einen unterscheidungslosen Zustand von Neutralität, Einfachheit und Sein.“

Die Autorinnen präsentieren in ihrem Buch einen sehr spannenden Ansatz, der das Aktivieren der Körperintelligenz betont und Verbindungen schafft, zwischen schulmedizinischen Grundlagen und yogisch-feinstofflichen Ansätzen.

Mit seinem Hauptgewicht auf der osteopathischen Behandlung richtet sich das Buch allerdings an ein Fachpublikum und wird wahrscheinlich nur wenige Yogalehrer ansprechen; vor allem diejenigen die auch in der Osteopathie zuhause sind und auf eine Grundlage anatomischer Kenntnisse zurückgreifen können.

Simone Huss, Bettina Wentzel - Diaphragmen und die Zirkulation. Fasziale Aspekte und anwendung in Ostepathie und Yoga. Haug Verlag, Stuttgart, 2015